Agiles Projektmanagement in Banken

Veröffentlicht von Stefan Gebhardt am

Projekte werden entweder nicht rechtzeitig fertig oder sind zu teuer – im schlimmsten Fall sogar beides. Dieses (Vor?-)urteil ist auch in Banken zu Hause. Die Methode des „agilen Projektmanagements“ zaubert dann ein Leuchten in die Augen des Managements. Verspricht sie doch die Lösung für die trägen und viel zu langsamen Projekte im Haus zu sein. Agil steht für beim Management für schneller und effizienter.

Agil und klassisch: wo ist der Unterschied?

Zunächst einmal: agile Projekte unterscheiden sich nicht grundsätzlich von den klassischen Projekten. Die Unterschiede liegen in der Vorgehensweise der Bearbeitung und Steuerung. Vor allem sind die zu Grunde liegen Werte anders.

Legt man beispielsweise beim klassischen Projektmanagement Wert auf Prozesse und Werkzeuge und das strikte Befolgen eines (Projekt-)Plans, so stehen beim agilen Projektmanagement die Menschen und deren Zusammenarbeit sowie die stetige Reaktion auf Veränderungen im Vordergrund.

Das heisst jedoch nicht, dass die Werte in der jeweils anderen Projektform nicht berücksichtigt werden. Selbstverständlich wird beispielsweise auch im klassischen Projekt auf Veränderungen reagiert.

Was bedeutet nun agil?

Spätestens in den 1990er Jahren sind erste sichtbare Ansätze eines agilen Projektmanagements – hauptsächlich bei der Softwareentwicklung – entstanden. 2001 wurden erstmalig die Werte im „agilen Manifest“ als Basis beschrieben:

  • Individuen und Interaktionen,
  • funktionierende Software,
  • die Zusammenarbeit mit dem Kunden und
  • die Reaktion auf Veränderung.

Auf Basis dieser Werte haben sich als die üblichen Methoden Scrum und Kanban entwickelt.

Das klassische Prinzip basiert auf der Erstellung und Abstimmung eines Fachkonzepts, der darauf aufsetzenden Entwicklung und der anschließenden Abnahme.

Die agile Vorgehensweise ist hingegen durch ein iteratives, inkrementelles Vorgehen gekennzeichnet. Man arbeitet in zeitliche Etappen (Iterationen) und hat am Ende jeder Integration ein in sich abgeschlossenes Zwischenprodukt. Dieses kann vom Kunden bewertet und auch in der Regel bereits eingesetzt werden und bildet die Basis für die nächste Iteration. Mit jeder neuen Iteration können komplett neue Anforderungen somit viel einfacher in das Projekt eingebracht werden.

Können Banken denn agil?

Die Projekte in Banken sind oft durch regulatorische Anforderungen getrieben. Es müssen die Vorgaben des Regulators zu festen Zielterminen umgesetzt werden und die Nichterfüllung kann mit massiven Sanktionen bestraft werden.

Oft muss vor der Umsetzung das Zielbild bereits von Revision, Compliance oder Legal abgenommen und geprüft sein. Ohne ein detailliertes Fachkonzept ist das nicht möglich. In diesem Fall ist die klassische Vorgehensweise meist die zielführendere.

Auf der anderen Seite verlangt der Markt aber eine immer höhere Flexibilität und Anpassungsfähigkeit.

Startups laufen den etablierten Banken auf Basis einer neuen Idee mit einem Schnellstart davon. Ein Erfolgsfaktor für die hohe Dynamik bei der Entwicklung der Software ist auch die Agilität.

Startups haben aber nicht nur ein agiles Projektmanagement. Die gesamte Unternehmens-DNA ist agil. Zur Beruhigung der etablierten Banken: ihnen fehlt dafür auf der anderen Seite in der DNA oft die „klassische Organisation“. Dies zeigt sich meist, wenn sie vom Startsprint in den Langlauf übergehen müssen. Es ist also nicht eine Entweder-Oder-Frage, sondern eine Frage der richtigen Mischung.

Man könnte hier schnell abdriften in eine Veränderung der gesamten Unternehmenskultur – belassen wir es bei der Betrachtung von Projekten.

Die Antwort auf die Frage „können Banken agil?“ lautet jedenfalls eindeutig „ja, aber bitte nicht nur“.

Voraussetzungen für agile Projekte

Um agile Projekte umzusetzen, müssen gewisse Rahmenbedingungen existieren.

  • Infrastruktur
    Üblicherweise wird bei agilen Projekten an die Softwareentwicklung gedacht. Durchaus können aber auch andere Projektarten agil umgesetzt werden. So kann die man sich auch die Neuaufstellung eines Produktportfolios oder die Mitarbeiterentwicklung als agiles Projekt vorstellen. Für die Umsetzung ist aber immer eine entsprechende Infrastruktur nötig.
    Bei der Softwareentwicklung benötigt man beispielsweise eine Systemlandschaft, in der schnell getestet werden kann, der Rollout zügig und häufig erfolgen kann und entsprechend kurze Vorlaufzeiten nötig sind.
    Ähnlich verhält es sich bei anderen Projekttypen: sind Prozesse und Infrastruktur so „gewachsen“ (oder verwachsen), dass jede Änderungen einen massiven organisatorischen Aufwand bedingt, wird eine agile Vorgehensweise scheitern.
  • Mitarbeiter und Management
    In echten agilen Projekten gibt es quasi keine disziplinarische Vorgesetzten. Das Team organisiert sich selbst und stimmt die Arbeit und die Iterationsziele ohne konkrete Vorgaben des Managements ab.
    Dadurch verändern sich existierende Rollenbilder teilweise massiv. Damit müssen alle Beteiligten umgehen können. Im Extremfall stellen Mitarbeiter fest, dass die neue Arbeitsweise nicht mehr zu ihnen passt. Auch das Management tut sich oft schwer, die neue Rolle zu akzeptieren – agil heisst eben auch die Abgabe von „Macht“.

Agile Projekte: Eine Revolution?

Wenn man es richtig angeht: Nein. Keine Revolution, sondern eine sinnvolle Ergänzung für geeignete Projekte. Eine Evolution.

Denn entgegen der weitläufig verbreiteten Meinung muss das klassische Projektmanagement weder langsam noch ineffizient sein und hat damit bei weitem nicht ausgedient. Leider wird Projektmanagement oft nur falsch verstanden: der Auftraggeber gibt Ziele und Budget vor und der Projektleiter hat es im Rahmen dieser Vorgaben umzusetzen. So können Projekte nur schief laufen.

Auch in klassischen Projekten kann niemand am Anfang eine klare Aussage über die Kosten und den Umfang treffen und es muss regelmäßig zwischen Auftraggeber und Projektleiter nachgesteuert werden. Ein Projekt ohne einen sauberen Change-Prozess sollte es eigentlich nicht geben.

Wird ein klassisches Projekt von einem guten Projektmanager geleitet und versteht der Auftraggeber die Notwendigkeit zum stetigen Nachsteuern, dann kann auch ein klassisches Projekt „schnell und effizient“ ablaufen.

Leider erlebt man es in der Praxis oft anders, weil Menschen Projekte leiten und beauftragen, die Projektmanagement nie gelernt haben.

Auch sind nicht alle Projekte für eine agile Vorgehensweise geeignet. Existieren aber stark volatilen Projektanforderungen, kann man über eine agile Vorgehensweise nachdenken.

Welche Projekte bearbeitet man klassisch und welche agil?

In jedem Projekt gilt das „magische Dreieck“ des Projektmanagements. Es besteht aus den drei Seiten „Leistung, Termine und Kosten“. Die Regel sagt aus, dass wie bei einem Dreieck die Änderung einer Seite die Länge mindestens einer anderen Seite beeinflussen wird.

Im klassischen Projektmanagement sieht man die primäre Stellschraube meist bei den Terminen (Kosten möglichst nicht verändern, Leistung ist festgeschrieben, also kann nur der Termin eine Änderung bringen). Hingegen ist wird beim agilen Projektmanagement zunächst in der Regel eher bei der Leistung geändert (die Integration kommt pünktlich, hat nicht mehr gekostet und ist im Zweifelsfall reduziert um die nicht fertiggestellten Artefakte). Beides ist eigentlich für einen Auftraggeber unschön, lässt sich aber per Definition in einem Projekt nicht vermeiden.

Das magische Dreieck im Projektmanagement

So zeigt sich, warum bei einem durch die Regulatorik getriebenen Projekt eher das klassische Projektmanagement sinnvoll ist: Termin und Leistung stehen im Vorfeld fest, im Zweifelsfall werden die Kosten erhöht.

Will man hingegen etwas stetig weiterentwickeln, bietet sich die agile Methode an: Termine und Kosten stehen fest, im Zweifelsfall werden die angestrebten Leistungen etwas zurückgeschraubt (oder im positiven Fall schneller umgesetzt).

Fazit

Eigentlich lässt sich das Fazit nicht nur auf Banken beschränken. Agiles Projektmanagement ersetzt das klassische nicht, sonder ergänzt es. Auch in Banken, die aufgrund der jahrelangen Erfahrungen mit der Regulatorik eher zu einer klassischen Vorgehensweise neigen, bietet es eine gute Ergänzung.

Laufen Projekte bisher langsam, unzuverlässig und ineffizient, dann wird auch die Agilität nicht helfen. Hier sollte zunächst über eine Optimierung des klassischen Projektmanagements nachgedacht werden.

Agil bezieht sich auf die Umsetzung von Anforderungen, nicht auf die Geschwindigkeit oder Effizienz.

Für Projekte, die eine stetige Verbesserung mit sich bringen sollen, ist dann die agile Vorgehensweise zu empfehlen. Oder man macht eben weiter „das mit den Fähnchen“.

In beiden Fällen unterstützen wir gerne – kommen Sie auf uns zu.


1 Kommentar

Agilität: Wir müssen agiler werden! Und dann? • gabble.it · 15. Juni 2021 um 09:05

[…] Beispiel haben wir uns in einem älteren Beitrag mit der Agilität beim Projektmanagement […]

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