New Work trifft auf bestehende Organisation: es braucht einen guten Klebstoff

Veröffentlicht von Stefan Gebhardt am

New Work, ein neues und frisches Arbeitsumfeld, flexibles Arbeiten, ein neues Führungsverständnis – und schon wird alles besser. Nicht ganz falsch, aber viel zu kurz gesprungen. New Work betrachtet die Menschen und vergisst dabei die Organisation an sich. Diese hat aber ganz andere Ziele als die in ihr arbeitenden Menschen. Es gilt, beides geschickt zusammenzuführen.

Zum besseren Verständnis hilft es, die Organisation vom Menschen zunächst getrennt zu betrachten und zu analysieren. Anschließend führt man beides wieder zusammen.

Die Organisation

Versteht man die Organisation als das Unternehmen, so ist sie unter anderem über folgende Eigenschaften definiert:

  • Sie entscheidet über den Eintritt und Austritt von Personen und definiert Bedingungen für die Mitgliedschaft. Die Personen müssen sich diesen Bedingungen unterwerfen.
  • Sie richtet ihre Entscheidungen nach einem Zweck aus. Dieser Zweck fokussiert auf wenige, wichtig erscheinende Aspekte.
  • Sie ist durch Hierarchien gekennzeichnet, die Über- und Unterordnungsverhältnisse der einzelnen Mitglieder festlegen.

Der Hauptzweck eines Unternehmens ist zunächst, wirtschaftlich zu überleben und am Markt zu bestehen.

Dies hat sich seitdem es Unternehmen gibt, eigentlich nicht geändert und ist bis heute gültig (ja, es gibt Ausnahmen – die betrachten wir hier aber nicht). Dies wird sich auch durch Weiterentwicklungen im Arbeitsumfeld nicht verändern.

Die Märkte

Was sich hingegen massiv verändert hat, sind die Märkte. Der Internetzugang ist inzwischen für die Mehrheit der Menschen zu einer Selbstverständlichkeit geworden – und zwar quasi jederzeit und an jedem Ort. Technologische Grenzen werden täglich eingerissen oder verschoben und es entstehen Möglichkeiten, die sich vor Jahren nur wenige vorstellen konnten. Da diese technologischen Möglichkeiten (vermeintliche) Vereinfachungen und Transparenz mit sich bringen, werden sie von den Menschen angenommen und intensiv genutzt. Es entstehen stündlich neue Geschäftsmodelle und damit auch neue Wettbewerber.

Dass sich Märkte verändern ist allerdings auch nichts Neues. Auch dies konnte man immer wieder in der Vergangenheit beobachten – auch mit massiven Veränderungen und Umwälzungen.

Lediglich die Geschwindigkeit und die Anzahl der “Angreifer” hat sich verändert. Für den einzelnen Menschen ist dies teilweise nicht mehr nachvollziehbar.

Konnten Unternehmungen bisher immer mit reichlich Vorlauf auf die Veränderungen reagieren, reicht dieses Handlungsmuster inzwischen nicht mehr aus. Unternehmen benötigen viel schneller Innovationen und müssen diese erfolgreich am Markt platzieren, bevor andere den Kuchen aufgeteilt haben. Viele Unternehmenslenker sind damit vollkommen überfordert und es sind Lösungen notwendig.

Zwischenfazit

  1. Der Zweck eines Unternehmens ist nach wie vor der Gleiche.
  2. Die Veränderung von Märkten gab es schon immer, auch radikale Umwälzungen.
  3. Die Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung hat sich extrem erhöht.
  4. Um den Zweck des Unternehmens noch erfüllen zu können, müssen sich Unternehmen die Geschwindigkeit ihrer Veränderungen denen des Marktes anpassen.

Es lässt sich feststellen, dass Unternehmen zunächst kein direktes Interesse daran haben, Möglichkeiten für neue Arbeitsformen und -modelle zur Verfügung zu stellen. Dies können für Organisationen lediglich Werkzeuge für die zukünftige Erreichung des Unternehmenszwecks sein.

Der Mensch

Bei den Menschen ist die Beurteilung nicht so einfach. Schon deshalb, weil jedes Individuum ihre/seine persönliche Sichtweise auf ihr/sein gewünschtes Arbeitsumfeld hat. Schon innerhalb einer Organisation arbeiten die unterschiedlichsten Menschen und haben entsprechend unterschiedliche Ansprüche an ihren Arbeitsplatz.

Auch wird den Generationen (Boomer, X, Y, Z, etc.) ein unterschiedlicher Anspruch an das Arbeitsumfeld nachgesagt.

Als kleinste Teilmenge lässt sich wahrscheinlich definieren, dass die Arbeit bei vielen Menschen zur Sicherung des Lebensunterhaltes dienen muss. Schon dieses Grundbedürfnis wird durch wegfallende Berufsbilder bald nicht mehr komplett befriedigt werden können. Auch wenn sicherlich neue Berufsbilder entstehen werden, so kann man die frei werdenden Kapazitäten nicht einfach neu einsetzen.

Darüber hinaus haben immer mehr Menschen viel höhere Ansprüche an die Arbeitswelt und ihren Arbeitsplatz. Hierarchien werden angezweifelt, selbständige Arbeit und Zielerreichung stehen im Vordergrund. Der monetäre Anreiz steht bei diesen Menschen nicht mehr unbedingt an erster Stelle.

Fazit

Führt man jetzt die Organisation und den Menschen gedanklich wieder zusammen, zeigt sich der Widerspruch in den Interessen. Es gilt als nicht, die klassische Arbeitswelt (“schlecht”) durch die neue Arbeitswelt (“gut”) zu ersetzen. Vielmehr gilt es, die vollkommen unterschiedlichen Interessen der Menschen und der Organisation in Einklang zu bringen.

Sehr wahrscheinlich wird es nicht “die eine neue Arbeitswelt” geben, sondern ganz viele neue Arbeitswelten. Wir neigen immer dazu, “schwarz” oder “weiß” als einzig richtige Lösung anzunehmen. Stattdessen ist “grau” die Lösung.

Auch klassische Organisationsformen haben ihre Berechtigung. Zum einen gibt es Menschen, die diese Sicherheit und Klarheit einfach benötigen. Zum anderen gibt es Prozesse im Unternehmen, die möglichst effizient und zuverlässig abgearbeitet werden müssen. Vieles wird nach und nach sicherlich von Maschinen übernommen werden, uns aber noch Jahre begleiten.

Auf der anderen Seite können die Organisationen ihren Zweck nicht mehr dauerhaft erfüllen, wenn sie am Markt nicht mithalten. Dazu benötigen sie neue Arbeitswelten, die Innovationen möglich machen. Auch hier werden sich Menschen finden, die mit dieser Arbeitsweise gut zurechtkommen werden – ja, diese sogar aktiv einfordern. Somit kann es nicht “den einen” richtigen Weg geben.

Bevor der Weg aber beschritten wird, gilt für jede Organisation,

  1. dass sie ihren (zukünftigen) Markt genau kennen muss,
  2. auf die schnellen Veränderungen reagieren will,
  3. innovativ neue Wege finden kann,
  4. diese konsequent beschreitet und
  5. dabei erfolgreich weiter am Markt besteht und ihn prägt.

So selbstverständlich diese Punkte klingen, schon bei Punkt 1 scheitern heute viele Unternehmen. Nur wollen sie das oft genug nicht wahrhaben.

Will eine Organisation die beschriebenen Schritte erfüllen (per Definition muss sie das, um zu überleben), dann benötigt sie dafür Menschen. Sie muss für jeden Menschen die passenden Voraussetzungen schaffen, damit sie/er die Erreichung des Unternehmenszwecks möglichst gut unterstützen kann.

“Die eine” Umgebung für alle Mitarbeiter wie in der Vergangenheit wird nicht mehr funktionieren. Und genau das macht es so schwer, für die Unternehmen. Faktisch ist für jede Mitarbeiter*in eine Arbeitswelt zu schaffen, damit sie/er im Sinne des Unternehmens und zur eigenen Befriedigung das volle Potenzial entfalten kann.

Häufig beobachtet man folgendes Phänomen: es wird ein modernes Arbeitsumfeld geschaffen. Man orientiert sich dabei an Startups und glaubt, damit Probleme zu lösen. Alle Mitarbeiter*innen werden sich so wohler fühlen und produktiver im Sinne des Unternehmens arbeiten.

Das wird nicht klappen – die Vorgehensweise ist genau umzudrehen. Das Ziel muss bekannt sein, dann können die dazu passenden Werkzeuge (Arbeitsumgebung, Arbeitsweisen etc.) geschaffen werden. Die Werkzeuge wiederum sind individuell passend auf die Menschen zuzuschneiden. Nur damit kann persönliche Bestleistung im Sinne des Unternehmens erfolgen. Ein Marathonläufer braucht gute Schuhe, um Bestzeiten zu schaffen. Aber jeder Läufer muss darüber hinaus die für sich passenden Schuhe haben.

Diese Erkenntnis weicht übrigens auch überhaupt nicht von den bisher gültigen Regeln ab. Ohne eine klare Strategie und eine Sachkenntnis vom Markt, kann man einfach kein Unternehmen erfolgreich steuern. Verändert hat sich nur, dass dies aufgrund der Komplexität und Geschwindigkeit keine Einzelaufgabe einer Unternehmensführung mehr ist. Vielmehr ist es eine Gemeinschaftsaufgabe aller Menschen der Organisation – sie muss nur die Voraussetzungen dafür schaffen.

Mit dem richtigen “Klebstoff” wird daraus eine schlagkräftige und zukunftssichere Einheit.

Der Text basiert auf dem eigenen Artikel “Neue Arbeitswelt: Welche Brücken müssen wir bauen?” vom 18.11.2016


0 Kommentare

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.