Buzzword Bingo: Digitalisierung

Veröffentlicht von Stefan Gebhardt am

Bei vielen Diskussionen – ob bei Kunden oder in den Medien – verstärkt sich leider ein Eindruck: es wird “buzzword bingo” gespielt. Kommt das Wort “Digitalisierung” mindestens einmal vor, dann zeigt man sich als zukunftsorientiert. Dabei spielen die meisten das beliebte “Buzzword-Bingo”.

Modeworte haben aber entscheidende Nachteile: jeder benutzt sie (gerne) und die wenigsten haben eine wirklich klare Vorstellung davon, was sich dahinter verbirgt. Dazu sind sie so unspezifisch, dass alles und nichts verstanden werden kann. So ist es auch mit der “Digitalisierung”: es hat irgendetwas mit Computern zu tun (“sounds technical”) und es machen derzeit alle. Also muss man natürlich auch mitmachen. Dabei stiftet das Wort eigentlich mehr Verwirrung, als es Klarheit bringt.

BUZZWORD
A word or phrase which has become fashionable or popular, 
or sounds technical or important and is used to impress people.

Seit Jahren wird digitalisiert

Kaum eine Branche, die nicht bereits seit Jahren, wenn nicht sogar Jahrzehnten, digitalisiert. Per Definition ist es das Gegenstück zur analogen Welt – deren Ende spätestens mit Einzug der ersten Personalcomputer in den 1980er-Jahren eingeläutet wurde. Auch wenn damals viele das Läuten noch nicht gehört hatten.

Seitdem wurde digitalisiert bis zum Umfallen. Prozesse wurden schneller und effizienter gemacht. Tausende von Stellenbeschreibungen wurden in den Schredder überführt, weil die Digitalisierung sie überflüssig gemacht hatte. Man sprach von der digitalen Revolution. Nun ist diese noch längst nicht zu Ende.

Der entscheidende Wandel war vor rund 10 Jahren die Einführung der Smartphones und die Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Mobilfunknetze. Plötzlich hatte der Verbraucher einen leistungsfähigen Computer nicht nur zu Hause, sondern überall dabei. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Schnittstelle zwischen dem Unternehmen und dem Kunden das Papier, der persönliche Kontakt, im modernen Fall auch eine E-Mail oder vielleicht ein Portal im (lokalen) Internetbrowser des Kunden.

Vom Kunden gedacht

Heute erwartet der Kunde, direkt in die Prozesse des Unternehmens einbezogen zu werden. Die Hardware dazu hat er ja. Aber der Kunde möchte sich nicht in die Regularien und Begrifflichkeiten des Unternehmens einarbeiten. Es muss auch so einfach wie möglich sein. Wer sich heute noch brav im Supermarkt in die Schlange einreiht, der findet morgen Kassen überflüssig. Amazon kann es ja auch: einfach aus dem Regal nehmen – es wird automatisch beim Verlassen des Marktes der Kreditkarte belastet.

“Vom Kunden gedacht” muss die Prämisse lauten.

Genau hier liegt die Herausforderung für etablierte Unternehmen: es fällt ihnen schwer, die Perspektive zu wechseln. Jahrzehnte haben sie sich selbst optimiert um die (vom Unternehmen definierte Produktpalette) möglichst optimal und kostengünstig verfügbar zu machen. Jetzt müssen sie Unternehmen vollständig verstehen, was der Kunde will und ihm dies mit einfach zu bedienender Technologie und niedrigen Abschlusshürden zur Verfügung stellen. Ja, sie müssen sogar Bedürfnisse vorwegnehmen um sich am Markt vom Wettbewerb abzuheben.

Wie ein Startup agieren

Einige Unternehmen versuchen daher, eine agile Einheit zu etablieren, die wie ein Startup handelt. Die Hoffnung ist, dass dieses “Startup” irgendwann schon die anderen Unternehmensbereiche befruchten wird. Gerne werden diese Einheiten mit den Begriffen U-Boote, Schnellboote oder andern dynamischen Verkehrsmittelnamen belegt. So wird es aber nicht funktionieren. Die agilen Einheiten scheitern irgendwann doch an den etablierten Strukturen. Ob es das Management selbst ist (nach vielleicht erfolglosen Experimenten “kalte Füße” bekommt) oder der etablierte Teil des Unternehmens bewusst oder unbewusst die Kollegen ausbremst. Durch eine an allen Strukturen vorbei arbeitende Gruppe werden nicht die Grundprobleme des Unternehmens verändert. Sei es die vielleicht veraltete IT, unflexible Prozesse oder das gefährliche Silodenken der Mitarbeiter.

Die Lösung?!

Vielleicht nicht das Allheilmittel, aber sicherlich ein richtiger Schritt ist es, sich zunächst mit der Kultur des Unternehmens auseinander zu setzen. Die digitale Öffnung zum Kunden bedarf einer entsprechenden dynamischen Kultur des Unternehmens. Bestehende Prozesse, Denkweisen und Handlungsweisen müssen hinterfragt werden und sich so verändern, dass die Öffnung entstehen kann.

Es ist wie im Garten: Pflanzen können nur wachsen, wenn der Boden gut beschaffen ist. Durch eine festzementierte und verkrustete Oberfläche schaffen es nur Unkräuter alleine. Jeder Gärtner weiß, dass es viel Mühe und Zeit kostet, den Boden zu behandeln. Und es bringt zunächst wenig sichtbare Erfolge. Wenn dann aber ein bunter und ertragreicher Pflanzenwuchs vorhanden ist, ist es allen klar: die Mühe hat sich gelohnt.


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