Keine Digitalisierung: Sind die Mitarbeiter schuld?

Veröffentlicht von Stefan Gebhardt am

Mangelndes Know-How der Mitarbeiter ist nach einer Umfrage des BDI und der Deutschen Bank bei 312 großen Familienunternehmen mit mehr als 50 Mio. Euro Jahresumsatz das wichtigste Hemmnis für die Digitalisierung.

Digitalisierung ist wichtig, aber …

Immerhin rund 60 Prozent aller Befragten schätzen die Bedeutung der Digitalisierung für das eigene Unternehmen als hoch oder sehr hoch ein. Aber nur 41 Prozent sieht sich bei der Digitalisierung des eigenen Geschäftsmodells als gut aufgestellt.

Eigentlich erschreckend, wenn man es umdreht: 40 Prozent dieser Unternehmen glauben, dass Digitalisierung für sie nicht wichtig ist. Ein weiterer Anteil von 20 Prozent ist da schon weiter, hält sich aber für nicht gut aufgestellt.

… es werden Schlussfolgerungen gezogen, …

Interessant – oder wenn man will auch beängstigend – sind die Schlussfolgerungen, die daraus gezogen werden:

  1. Fast jedes dritte große Familienunternehmen sieht die Verfügbarkeit digitaler Infrastruktur als Hürde für die eigene Digitalisierung (32 Prozent).
    Hier kann man noch am einfachsten zustimmen. Es wird die Kunden aber nicht interessieren warum ein Unternehmen die Digitalisierung verschlafen hat. Keiner bekommt einen Bonus, weil beispielsweise die Infrastruktur nicht passte. Man mag zwar auf die Politik schimpfen können. Trotzdem ist die Unternehmensführung dringend gefordert, alternative Lösungen zu finden. Warten auf die Telekom ist keine Option.
  2. Weitere kritische Punkte sind mangelnde oder unzureichende digitale Schnittstellen, beispielsweise für die Übertragung von Daten an Zulieferer (37 Prozent), Bedenken hinsichtlich der IT-Sicherheit (36 Prozent), sowie der notwendige Wandel in der Unternehmenskultur (35 Prozent).
    Auch hier sind offensichtlich die Hausaufgaben nicht gemacht worden. Gerade eine Unternehmenskultur wandelt sich nicht einfach so von selbst. Im Gegensatz zu Problemen bei Schnittstellen und der IT-Sicherheit, die man relativ schnell beheben kann. Wer jetzt erst über eine Kultur nachdenkt, darf sich auf einen langen Zeitraum einstellen. Die  Zeichen der Zeit wurden eigentlich schon vor mehreren Jahren verschlafen.
  3. Die Unternehmen wollen ihre Investitionen in die Digitalisierung deshalb bis 2019 auf durchschnittlich etwa drei Prozent des Umsatzes erhöhen – gegenüber 2016 ein Anstieg von fast 40 Prozent.
    Bei einem Umsatz von 50 Mio. Euro sind 3 Prozent gerade mal 1.5 Mio. Euro. Eine nicht gerade hohe Investitionssumme um ein Geschäftsmodell zu digitalisieren. Alleine Personal, IT und Marketing werden deutlich mehr kosten. Wurde die Basis für die Digitalisierung im Unternehmen noch gar nicht geschaffen, wird sich die Summe noch einmal erhöhen. Auch eine Kulturveränderung kostet Geld. Ist diese bisher nicht erfolgt, hat man sowieso einen Investitionsstau.
  4. Als größtes Hemmnis für die Digitalisierung sehen die Unternehmen mangelndes Know-how der Mitarbeiter an (43 Prozent).
    Was als größtes Hemmnis angesehen wird, ist eigentlich auch der größte Klopfer in diesem Ergebnis. Wie soll ein Unternehmen denn die Digitalisierung starten, wenn es von knapp der Hälfte der Beschäftigten keine entsprechende Unterstützung erwarten kann?

… die das Problem bei dem Mitarbeiter sehen

Sicherlich ist das Know-How der Mitarbeiter bei diesem Wandlungsprozess der Kultur und der Digitalisierung extrem wichtig. Aber ein Punkt wird hier vollkommen außer Acht gelassen. Wie sieht es denn mit dem Know-How der Unternehmensführung bei der Digitalisierung aus?

Digitalisierung benötigt eine neue Kultur, Digitalisierung benötigt komplett neue Ideen für das Geschäftsmodell, vielleicht sogar ein komplett neues Geschäftsmodell. Einfach weitermachen wie bisher, die Prozesse mit besseren Schnittstellen zu versehen und bestehende Angeboten mit neuen Anwendungen “aufpeppen” – das hat nichts mit Digitalisierung zu tun.

Ein neues Geschäftsmodell und eine neue Unternehmenskultur werden aber niemals von den Mitarbeitern angestoßen werden. Dies ist eine Aufgabe der Unternehmensführung. Mindestens muss sie den Freiraum und die Qualifikation bei den Mitarbeitern zu schaffen. Erst dann können sich aus dem Unternehmen heraus neue Geschäftsmodelle entwickeln.

Sondern?

Für mich spiegelt die Umfrage wieder, dass die Unternehmensführung bei vielen Familienunternehmen offensichtlich nicht mehr zu den Herausforderungen der Digitalisierung passt. Es wird eine Investitionssumme festgelegt, mit der das Projekt “Digitalisierung” umgesetzt wird. Dazu muss einfach in eine bessere IT investiert werden und die Mitarbeiter zu schulen. Dann wird das schon. Das wurde immer so gemacht.

Zunächst müsste dringend und schnell das Management seine Fähigkeiten und sein Verständnis im Bereich der Digitalisierung ausbilden. Erst dann kann es das Unternehmen auf einen neuen Weg bringen.

Digitalisierung ist kein Projekt, sondern eine neue Evolutionsstufe eines Unternehmens. Dazu müssen sich alle im Unternehmen ändern – das Management als erstes.

 


3 Kommentare

Marc · 24. Oktober 2017 um 12:12

vorab, die “fette Aussage” ist perfekt.

Daten erheben und auswerten ist ja bekanntlich das eine, das Andere die mögliche Umsetzung. Erklärt sich wirklich die GL bereit, in Sachen Digitalisierung auf die Schulbank 1. Klasse? (unabhängig vom Alter das aber ü50 sein dürfte)
Welche Beratungs-/Management-Schulen sollen das sein? Weil es geht hier ja nicht um ein neue Programm wie Word oder evtl. die nächste Stufe, das richtige “Betriebssystem”, es geht darum ein Unternehmen komplett umzubauen.
Unterstellt man mal, dass die ersten Punkte grob abgehandelt sind und es an die Beschaffung div. Hardware geht, bspw. Hand-PC, Lumia oä. – ups, das könnte dann aber schon ein Mio. schwerer Fehler sein, da letzteres doch “stirbt”.
Also dann die 2 anderen großen mobilen OS, damit die Mitarbeiter wenigstens mal die Hardware haben … die Finanzabteilung freut, weil alle 3 Jahre max. muss ein kompletter Austausch erfolgen, von nicht gerade preisgünstigen Geräte.

Dh. egal wo man anfängt, die Angelegenheit ist nicht trivial.

Wo sollen eigentlich die zusätzlichen Kapazitäten (man-power) für die Umstellung, hin zur neuen Ev.-Stufe herkommen, die ja nur für diesen Zeitraum benötigt werden? Die aktuellen Mitarbeiter sind doch bereits aus- bzw. überlastet.
Des weiteren stellen sich die Mitarbeiter die Frage, wie das Unternehmen den ROI sieht. … und somit sinkt zudem die Bereitschaft.

Die % im Bereich > unter < der o.g. Unternehmensgröße, wäre erschreckender und diese stellt ja die breite Masse dar. Dh. bis runter zum Handwerker, der heute noch mit Excel-/Word-Vorlagen (Version 2003 + XP) seine Rechnungen schreibt. Von eignen aktuellen Homepage usw. ganz abgesehen.

    Stefan Gebhardt · 24. Oktober 2017 um 13:28

    “Dh. egal wo man anfängt, die Angelegenheit ist nicht trivial.” – absolute Zustimmung.
    Ich denke sogar, dass viele Unternehmen niemanden (inkl. GF haben), der die Herausforderungen meistern kann. Ich plädiere ja da im Zweifelsfall für externe Berater 😉

    Ja, unterm Strich hilft es nur, wenn die GL bereit ist, sich auf die Schulbank zu setzen. Lebenslanges Lernen und schnelles Anpassen ist gerade für die Führung eines Unternehmens ein Muss – hier sitzen die Menschen, die eine Strategie entwerfen und letztendlich die Zukunft des Unternehmens sichern müssen. Gerade weil dies aber für einen Einzelnen inzwischen so schwer ist, hilft eine offene Unternehmenskultur, wo die Mitarbeiter in die Weiterentwicklung des Unternehmens aktiv (und ersthaft!) mit eingebunden werden.

      Marc · 24. Oktober 2017 um 13:48

      natürlich stimme ich dem smiley zu
      (wie konnte ich das nur vergessen)

      Viele Mitarbeiter wie o.e. möchten das Unbekannte garnicht, zumal ihnen nicht klar ist, wo sie zukünftig positioniert sind.
      Wenn es doch Mitarbeiter gibt, die Verbesserungsvorschläge vorbringen und evtl. der Vorstand dem sogar aufgeschlossen wäre, muss an anderen Bremsern (Abtlg.) vorbei / Hürden genommen werden.

      Um es mal konkret zu machen, in meinem Bekanntenkreis hat jemand statt ca. 2-3.000 Euro Handscanner vorgeschlagen, dies über robuste MDE mit Android OS zu machen oder evtl. sogar über BYOD. ähnlich http://locationinsider.de/dm-fuehrt-scanner-auf-android-basis-ein/
      Prüf-Abteilung hat den Vorschlag nach Einholung div. internen Stellen (Fachauskunft) abgelehnt, da die Geräte WLAN haben und somit bzw. zudem von Seiten OS unsicher wäre.

      Obwohl die Vorteile auf der Hand liegen würden, wie just intime Verfügbarkeit/Verarbeitung, günstigere Anschaffungskosten, leichte individuelle Anpassung durch “Android-App-Entwickler” usw.

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